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AutorenbildRegina Abeld

Über werteorientierte Unternehmenskultur - und warum sie gerade jetzt so wichtig ist



In der heutigen VUKA-Welt (Volatil, Unsicher, Komplex, Ambivalent) sind Führungskräfte und Teams stark gefordert. Aktuelle Krisen wie Pandemie, Klimakrise und Ukraine-Krieg sowie zukünftige Probleme wie etwa die Überalterung der Gesellschaft und der Fachkräftemangel bringen für Organisationen, Unternehmen und Mitarbeiter:innen teils erhebliche Konsequenzen und Herausforderungen mit sich. Das plötzliche Umstellen auf home-office-Betrieb, der Umgang mit den Hygieneregeln, Personalplanung bei hohen Ausfällen oder Kompensationen bei Materialmangel sind hier nur ein paar Stichworte. Gefragt waren und sind ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Resilienz. Warum gelingt dies manchen Unternehmen besser als anderen? Die Antwort darauf ist vielschichtig, auf einen Aspekt möchte ich in diesem blog-Beitrag heute eingehen: die Wertekultur.


Denn: Unternehmen und Organisationen, in denen Werte nicht nur in Form eines verstaubten Leitbildes in der Schublade liegen, sondern gelebt werden, sind produktiver und resilienter[1]! Warum ist das so und unter welchen Voraussetzungen gelingt diese gelebte Wertekultur?


Lassen Sie uns zunächst darauf schauen, was Werte überhaupt sind. Ein Wert bezeichnet laut Duden die „einer Sache innewohnende Qualität“ und besitzt eine „positive Bedeutung“[2]. Werte existieren nicht von sich aus im luftleeren Raum, sondern entstehen, wenn sie von einer Gruppe von Menschen als bedeutsam geteilt werden und somit die Grundlage bilden für gemeinsame Überzeugungen und Haltungen. Wenn Menschen sich mit bestimmten Werten identifizieren, nehmen sie entlang dieser Werte ihre Welt wahr und richten ihr Verhalten aus: so werden Werte durch Normen verwirklicht. Unternehmenskultur bzw. Organisationskultur bezeichnet entsprechend die „Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen“ [3]. Immaterielle Werte wie Respekt, Toleranz oder Empathie geben Orientierung, Sinn und Halt, indem sie ethische Leitplanken setzen. Dies wiederum erleichtert es den Fach- und Führungskräften, im eigenen Tätigkeitsfeld Prioritäten zu setzen, Entscheidungen zu treffen oder mit Klienten und Kunden zusammen zu arbeiten. Sie stiften Wertschätzung und ein Wir-Gefühl, da sie für die Beschäftigten aller Hierarchieebenen gelten. Sie motivieren.



Werteorientierte Unternehmensführung ist längst ein Erfolgsfaktor


Gelingende Unternehmenskultur bietet den handlungsprägenden Rahmen zur Erreichung von definierten Unternehmenswerten wie etwa Innovation, Verpflichtung zu Exzellenz, Wertschätzung für Vielfalt oder Kundenfreundlichkeit, indem sie in alle Ebenen hinein ausstrahlt. Damit Werte ihre Potenziale entfalten können, müssen sie den Beschäftigten jedoch erst einmal kennen: Unternehmenswerte müssen also wirklich durchdekliniert werden. So sollte es allen Beteiligten klar sein, dass die (neu eingeführten) Werte nicht etwa nice-to-have, sondern hochrelevant sind. Dazu braucht es engagierte Personen, die von verschiedenen Positionen aus für die Wertekultur werben und erklären, wie sie wirksam werden sollen. Idealerweise ermutigen sie zu Eigeninitiative oder fördern bestehende Initiativen und erhöhen somit die Compliance. Ernst gemeinte Werteorientierung zieht sich wie ein roter Faden durch das Unternehmen und betrifft dann auch die Wahl von Kooperationspartnern, das Investieren von Kapital oder die Öffentlichkeitsarbeit genauso wie Recruiting oder Prozessbeschreibungen.


Ausformulierte Werte, etwa in Form eines Leitbildes oder Code of Conduct, einer Unternehmensmission oder Führungsleitlinien entfalten immer ihre Wirkung. Die Frage jedoch, wie sie das tun, kann von Unternehmen und Organisationen häufig nicht beantwortet werden. Beispielsweise, inwiefern (neue) Mitarbeiter:innen überhaupt Kenntnis über die Unternehmenswerte haben und wie diese im Unternehmen ihren Ausdruck finden. Ein ausformuliertes Leitbild, welches vielleicht sogar stolz bei jeder Neuanstellung überreicht wird oder in geschwungenen Lettern im Eingangsbereich verewigt ist, wird schnell kontraproduktiv, wenn es keine spürbare Anwendung findet, denn es schürt Erwartungen, die dann enttäuscht werden und zu Unzufriedenheit und sinkender Motivation führen. Insbesondere Organisationen mit hohem moralischen Selbstverständnis, wie kirchliche Träger und soziale Einrichtungen, werden häufig ebenso hohe Erwartungen bezüglich der Mitarbeiterführung entgegen gebracht.



Werte sind keine Ziele


Ursache dafür, dass Leitbilder, Visionen oder Wertekataloge ihr lebloses Dasein in Schubladen oder eingerahmt an der Wand fristen, ist häufig ein falsches Verständnis vom Wesen einer Wertekultur. So werden Werte gewohnheitsmäßig mit einer Ziel-Logik betrachtet und angegangen. Dies wiederum verführt zur Annahme, Werte könnten erreicht (und dann verwaltet) werden. Werte entziehen sich jedoch einem Ankommen im Sinne der Zielerreichung, daher sind sie von ihrem Charakter her eher „bewegliche Ziele“. Wie lässt sich bspw. der Wert „Respekt“ operationalisieren und in Kennwerte ausdrücken, die messbar sind? Und wer legt das fest, nimmt also die Deutungshoheit über diesen Wert für sich in Anspruch? Wieviel Prozent der Belegschaft müssten diese Kennwerte erreichen und in welchen Zeitabständen wiederreichen, damit sie als erfüllt gelten? Wenn die Geschäftsführerin definiert, was „Respekt“ ist, respektiert sie zugleich nicht, was andere darunter verstehen und unterminiert den Wert.


Der Umstand, das einem Wert vielfältige subjektive Auffassungen zugrunde liegen, es also keine einzig richtige Beschreibung eines Wertes gibt, führt uns zur inter-subjektiven und somit sozialen Komponente von Werten. So bringen die Beschäftigten je nach Rolle und Aufgabengebiet, Hierarchieebene, Berufsgruppe und natürlich individueller Persönlichkeit unterschiedliche Werte in das Unternehmen mit. Diese fließen in das berufliche Denken und Tun ein, werden meist aber von Unternehmens- als auch Beschäftigtenseite weder bewusst wahrgenommen, noch reflektiert, geschweige denn fruchtbar gemacht. Ein großes Potenzial, das brachliegt! Gelebte Wertekultur erkennt die gewinnbringende Wechselwirkung der Werte der Mitarbeiter:innen und der Unternehmenswerte und bindet diese aktiv in den Werteentwicklungsprozess mit ein.



Werteorientierte Unternehmenskultur: worauf kommt es an?


Gelebte und gelingende Wertekultur bedeutet also zweierlei: die Akzeptanz der Nicht-Abschließbarkeit und des kollaborativen, sozialen Charakters von Werten. Was gilt es bei einer gelingenden Werteorientierung also zu „erreichen“? Nichts weniger als ein Fließgleichgewicht und die Offenheit, formulierte Werte immer wieder neu mit Leben zu füllen und auf den Prüfstand zu stellen. Ist dieser Dauer-Auftrag einmal ins Verständnis und die Abläufe integriert, entfalten sich auch die Chancen eines immer wieder neu auszubalancierenden Möglichkeitsraumes. Denn dieser ist zum Einen gleichsam ein Teil der Antwort auf den Dauerkrisenmodus unserer VUKA-Welt, die sich mit abschließenden Antworten, zementierten Lösungen nicht bewältigen lässt. Beim alleinigen Drehen an äußeren Stellschrauben zur Profitmaximierung und dem Führen nach Zahlen laufen Unternehmen Gefahr, unflexibel und krisenanfällig zu sein. Denn solche Maßnahmen verändern nichts in der Haltung der Beschäftigten. Die Einbindung der Beschäftigten in eine werteorientierte Unternehmenskultur bietet zum Anderen einen „Ort“, in dem die für zukunftsfähige Unternehmen erforderlichen Kompetenzen ins Bewusstsein gerückt, gestärkt und auch honoriert werden können. Ein Werteentwicklungsprozess sensibilisiert die Beteiligten für die Diversität von Werten und fördert idealerweise die Akzeptanz auch von wahrgenommener Andersartigkeit und Fremdheit. Dies wiederum kommt einer generellen Offenheit zugute, aber auch einer speziellen gegenüber (neuen) Mitarbeiter:innen aus anderen Kulturkreisen, auf die Unternehmen ja zukünftig stärker angewiesen sein werden.


Laut einer aktuellen Studie wünschen sich 55 % der befragten Beschäftigten einen Arbeitgeber, der besser zu ihren Werten passt, 50 % suchen einen Arbeitsplatz, der leichter mit ihrem Lebensstil vereinbar ist. [4] „Arbeitgeber, die sich nicht klar zu gesellschaftlichen Themen positionieren, laufen Gefahr, Mitarbeiter zu verlieren. 26 % der international Befragten sagen, genau aus diesem Grund ihren Arbeitgeber verlassen zu haben. Besonders jüngere Arbeitnehmer reagieren auf diesem Gebiet empfindlich, denn bei den 18- bis 35-Jährigen sind es 41 %“ (ebd.) Werteorientierte Unternehmensführung leistet daher seinen Beitrag bei der Mitarbeiterbindung und erhöht die Attraktivität für Bewerber:innen und punktet somit als Wettbewerbsvorteil. Wenn Werte gelebt und die Mitarbeiter:innen in die Unternehmenskultur aktiv einbezogen sind, wirkst sich dies positiv auf die Eigenverantwortung, das Engagement und die Loyalität aus. Faktoren, auf die Unternehmen in guten, vor allem aber in herausfordernden Zeiten angewiesen sind. Nicht zuletzt wächst mit Blick auf die Klimakrise die gesellschaftliche Erwartung an Unternehmen, sozial und ökologisch verantwortlich zu agieren. Dies zeigt sich auch in wachsenden Reformmodellen wie der Gemeinwohlökonomie und dem social entrepreneurship. Feigenblatt-Werte werden schnell als Bluewashing oder Greenwashing entlarvt, authentisch gelebte Werte hingegen fördern Glaubwürdigkeit und ein positives Image.


Schauen wir auf die Implementierung einer Wertekultur, bieten sich vielfältige Möglichkeiten, Instrumentarien und Vorgehensweisen, bei denen jedes Unternehmen bzw. jede Organisation die für sich geeignete finden muss. Der Expertenblick von außen oder die Nutzung externer Moderation und Beratung ist oft hilfreich und angezeigt. Jedoch existieren mittlerweile solide Selbstdiagnoseinstrumente und Methoden, die ein Unternehmen für seinen Werteentwicklungsprozess von innen heraus nutzen kann (z.B. das „Six-Pack-Plus-Modell“).[5]


Natürlich sollten die Werte eines jeweiligen Unternehmens bzw. einer Organisation nicht beliebig sein, sondern zu den Produkten bzw. Dienstleistungen passen und die von der jeweiligen Zielgruppe für relevant erachteten Werte im Blick haben. Das erfordert Dialogbereitschaft und aktives Zugehen auf die Kundschaft bzw. Klientel. In Zeiten von social media ist es leichter geworden, in Kontakt mit der Zielgruppe zu sein und Einsicht in deren Bedürfnisse und Werte zu erlangen. Eine erfolgreich gelebte Wertekultur bedeutet übrigens nicht, dass sich alle immer einig sind. Aber das ist ja auch das spannende.


Tipp:

Idealerweise besteht bei Führungskräften sowie Mitarbeiter:innen mit Personalverantwortung eine gute Passung von Motiv- und Wertestruktur der individuellen Persönlichkeit und der jeweiligen Position. Eine exzellente Hilfestellung kann hierzu der LINC Personality Profiler geben, ein wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Analyse und Beschreibung von Persönlichkeit. Mit Hilfe der Testergebnisse des LPP bilden neben den individuellen Charaktereigenschaften und persönlichen Kompetenzen auch die jeweiligen handlungsleitender Werte und Motive ab. Daher können sie gut im Rahmen eines Werteentwicklungsprozesses genutzt werden.


[1] https://www.wertekommission.de/wp-content/uploads/2015/02/WK-MP-Studie.pdf; https://www.boeckler.de/pdf/mbf_pb_wou_studien_lsl2.pdf [2] https://www.duden.de/rechtschreibung/Wert [3] https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/unternehmenskultur-49642 [4] https://www.edelman.com/trust/2021-trust-barometer/belief-driven-employee [5] https://www.herbertstrobl.cc/consulting/unternehmen-kultur/six-pack-plus-modell/


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